Wir nehmen unsere Umwelt in Strukturen wahr.
Strukturen – eine Skizze ©
Rudolf Ahrens-Botzong
Unsere Umwelt nehmen wir wahr durch
Strukturen in Raum und Zeit. Dazu braucht es einen räumlichen und zeitlichen Rahmen
sowie jeweils Maßstäbe darin. Im Laufe der technischen und wissenschaftlichen Entwicklung wurden Meßgrößen und Maßeinheiten dafür festgelegt, um ein
gemeinsames Verständnis zu ermöglichen.
Darüber hinaus entwickelt wohl jeder Mensch ein eigenes Verständnis von Strukturen und Maßstäben. Wird man sich der Strukturen und Maßstäbe bewußt, kann man sie sprachlich darstellen und gar
mathematisch fassen. Räumliche Strukturen zeigen sich zum Beispiel in der Verteilung unterscheidbarer
Bestandteile, zeitliche Strukturen durch deren Veränderungen.
Der Verfasser möchte dazu einige Gedanken darlegen (wobei der atomare Bereich hier nicht betrachtet wird).
Verteilungen
Die Informationstheorie hat den physikalischen Begriff der Entropie zum einem Maß der Information erweitert.
Man betrachtet dabei, auf wieviele Arten sich unterscheidbare Bestandteile in unterscheidbare Gruppen
einordnen lassen. Dafür gibt es zwei Grenzfälle: Die Bestandteile werden zu gleichen Anteilen über alle Gruppen verteilt oder alle einer einzigen Gruppe zugewiesen. Der erste Fall bedeutet
größtmögliche Unordnung,
der zweite größtmögliche Ordnung. Was liegt im Sinne des
Informationsmaßes nun in der Mitte zwischen Unordnung und Ordnung?
Der Verfasser hat dies berechnet mit folgendem Ergebnis: Die meisten Bestandteile fallen in wenige große Gruppen, die
übrigen in viele kleine. Fügt man nun neue Gruppen hinzu, nehmen diese jeweils nur wenige Bestandteile auf, zu Lasten der großen. Die Verteilung ändert sich dabei kaum. Der Verfasser bezeichnet
dies als schwache Selbstähnlichkeit.
Dieses Ergebnis entspricht einer Erfahrung in der Landschaft: Aus der Ferne betrachtet wird sie von
wenigen großen Linien und einigen auffälligen Dingen geprägt. Die kleinen Dinge sind vielfältiger. Würden diese ein wenig verändert, bliebe das Landschaftsbild aber nahezu gleich. Schaut man durch
ein Fernglas, zeigen sich in diesem neuen Rahmen häufig änliche Verhältnisse.
In anderen Fällen findet man beim Wechsel des Rahmens, zum Beispiel von der Außenansicht eines Hauses
zum Blick in ein Zimmer, ganz andere Bestandteile und Arten ihrer Verteilung, somit andere Strukturen.
Dieser Befund ist unabhängig von der Frage nach funktionalen Zusammenhängen. Künstlerische Gestaltung kann neue Strukturen schaffen bei gleicher Funktion, ähnliche Gestaltung kann unterschiedliche
Funktionen verbergen.
Räumliche Strukturen sind also eine Qualität für sich.
Veränderungen
Forschung und Technik haben einen weiten Bereich zeitlicher Größenordnungen erschlossen,
von Femtosekunden bis zu Milliarden Jahren. Es hängt vom Zeitrahmen der Beobachtung ab, welche Veränderungen man wahrnimmt. Wählt man den Zeitrahmen jeweils so groß, dass auch die Vorgeschichte
und der Nachlauf erfasst werden, so zeigt sich wahrscheinlich eines von drei Grundmustern:
1) Durch innere Rückwirkung sich selbst beschleunigende, dann durch abnehmende Ressourcen
wieder verlangsamende Veränderungen (sigmoider Verlauf)
2) periodische Veränderungen
3) chaotisch ablaufende Veränderungen
Im ersten Fall bietet die Logistische Gleichung eine mathematische Beschreibung, im zweiten Fall
die Fourrier-Reihenentwicklung, im dritten Fall ein stochastisches Modell.
Werden kinematische Sperren bei mechanischen Systemen oder kinetische Barrieren bei chemischen Reaktionen durch äußere Eingriffe aufgehoben, kann eine Vielzahl von Veränderungsmuster auftreten. Allen
Mustern gemeinsam ist, dass man aus der augenblicklichen Veränderungsgeschwindigkeit nur dann auf das zukünftige Verhalten schließen kann, wenn man das System und seine Vorgeschichte gründlich
kennt.
Verhältnis von Struktur und Maßstab
Räumliche und zeitliche Maßstäbe leiten sich aus reproduzierbaren räumlichen und zeitlichen Strukturen ab.
So entstanden Zollstöcke und Uhren. Maßstäbe sind für Forschung, Technik und das kaufmännisch-bürgerliche Leben nur dann zweckdienlich, wenn sie auf den jeweiligen Rahmen anwendbar und allgemein
gültig sind.
Den räumlichen bzw. zeitlichen Rahmen selbst erfassen meist schon grobe Maßstäbe.
Man kann das Verhältnis von Struktur und Maßstab auch umkehren: Ein beliebig geformter Gegenstand vermißt
den Raum, eine beliebige Veränderung vermißt die Zeit, jeweils in einem bestimmten Rahmen. So gebildete Maßstäbe bieten die Möglichkeit, verborgene Strukturen zu erkennen. Dazu können Algorithmen
dienen
wie z. B. die Fourrieranalyse.
Verhältnis von Struktur und Wirklichkeit
Versteht man unter Wirklichkeit alles, was auf das eigene Leben und die Gesellschaft einwirkt oder einwirken könnte, so
bilden die oben beschriebenen Strukturen wohl nur kleine Ausschnitte davon. Die Wirklichkeit ist vielfältiger und erscheint – ein wesentliches Merkmal – in sich oft widersprüchlich. Mehrdeutigkeiten
und Widersprüche werden jedoch gemindert, wenn man jeweils weniger wichtig erscheinende Détails ausblendet. Solche Vereinfachung ist hilfreich, man sollte sich deren aber bewußt werden und bleiben –
ebenso des hier dargestellten Wahrnehmungsprinzips:
Strukturen und Maßstäbe bedingen sich wechselseitig. Für sich genommen wären beide ohne Bedeutung, zusammen jedoch bieten sie
Zuordnung, Orientierung.
Hydraulischer Wechselsprung
Beispiel eines dynamischen Musters:
Das aufprallende Wasser strömt nach allen Seiten über den Beckenboden ab. Die Strömung verlangsamt
sich dabei. Dort wo sie gleich der Wellen-Ausbreitungsgeschwindigkeit ist, kommen die von außen anlaufenden Wellen nicht mehr weiter und bilden eine ortsfeste Wasserwalze.
Diese Erscheinung wird allgemein als Stoßwelle bezeichnet ( siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Sto%C3%9Fwelle ).
Modulierte Zeitabläufe ©
Rudolf
Ahrens-Botzong
Zeit läuft gleichförmig
dahin, das zeigt der vergleichende Blick auf jeweils mehrere Uhren und Kalender
(sofern sie nicht manipuliert wurden). Im menschlichen Zeitempfinden mag die Zeit jedoch, je nach den Umständen, ungleichmäßig verlaufen. Es ist daher reizvoll, diesen Gedanken mathematisch
nachzuvollziehen:
Man „moduliert“ die Zeitachse mit einer zeitabhängigen Funktion und berechnet, wie sich die so modulierte Zeit
zur gleichförmig verlaufenden Zeit, der "Uhrenzeit" verhält.
Der Autor hat dazu einen Formalismus entwickelt – welcher nach Zweckmäßigkeit aber willkürlich gewählt wurde. (Sollte die Ableitung fehlerbehaftet sein, bittet der Autor um Nachricht, siehe unter 'Kommunikation').
beachte : "Eigenzeit" bezeichnet hier das subjektive Zeitempfinden ; es hat nichts mit dem
gleichlautenden Begriff der Relativitätstheorie zu tun !
Hier nun ein Rechenbeispiel in graphischer Darstellung:
Unmoduliert ist die
empfundene Zeit (vertikale Achse) gleich der Uhrenzeit (horizontale Achse). Das
zeigt
die grüne Gerade. Wird die Veränderungsgeschwindigkeit jedoch sinusförmig moduliert, gemäß der roten
Kurve , so ergibt sich die blaue Kurve:
Die empfundene Zeit hinkt der Uhrenzeit nach, wenn sich die Veränderung beschleunigt (ansteigende Sinuskurve).
Die empfundene Zeit eillt der Uhrenzeit voraus, wenn sich die Veränderung verzögert (abfallende Sinuskurve).
Das gilt bei diesem Transformationsmodell sinngemäß auch für andere Modulationsfunktionen.
Die empfundene Zeit verhält
sich sozusagen träge gegenüber der Uhrenzeit, also der objektiven Zeit.
Man beachte: Das ist ein mathematisches Modell.
Es bleibt selbstverständlich einer empirischen psychologischen Untersuchung vorbehalten,
ob und unter welchen Bedingungen Menschen derart empfinden!